Rückblick: „Meet the artist“ mit Unsuk Chin

Die südkoreanische Komponistin, deren Werke von international renommierten Orchestern aufgeführt werden und der als „Composer in Residence“ das NDR Elbphilharmonie Orchester in dieser Saison gleich vier Porträtkonzerte widmet, kam 1985 mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes nach Europa. Hamburg war ihre erste Station: Sie schrieb sich hier an der Musikhochschule in die Kompositionsklasse von György Ligeti ein. Er wurde ein wichtiger – wenn auch oft strenger – Lehrer auf ihrem musikalischen Weg. „Gestern habe ich mit einer Freundin in Hamburg eine kleine Zeitreise gemacht“, berichtetet sie im „Meet the artist“-Gespräch, „wir fuhren zu Ligetis Haus in der Mövenstraße, hier hatte ich immer meine Unterrichtsstunden…“. Sie hätte sich damals natürlich niemals vorstellen können, so Unsuk Chin weiter, dass ihre Werke einmal in Hamburg und dann in einem Konzertsaal wie der Elbphilharmonie aufgeführt würden. Aber auch über den Weg dorthin sprach sie, über die Schwierigkeiten, als Kind und junges Mädchen in Südkorea überhaupt Musik zu hören, sich dann für eine Ausbildung in diesem Bereich zu entscheiden und das auch wirklich zu realisieren. „Die Nachbarn hatten einen Plattenspieler, dort bin ich eine Zeitlang jeden Tag hingegangen und habe solange vor der Tür gewartet, bis ich mir die Musik anhören durfte.“ Sie komponiere eigentlich immer, erzählt sie weiter. „Im Kopf bin ich immer mit Musik beschäftigt. Bis dann aber ein Stück soweit ist, dass ich es notiere, das kann Jahre dauern.“ Sie komponiere niemals am Computer, denn sie brauche dieses Gefühl des Bleistiftes auf dem Notenpapier, diese physische Verbindung. Gut kochen kann sie auch: ebenso kreativ wie mit Noten ist sie auch mit Zutaten, ein schmackhaftes Gericht in einem Restaurant wird gleich analysiert und nachgekocht. Wie spannend und vielschichtig Unsuk Chins Musik klingt, konnten die Gäste im Tonali-Saal mit kurzen Ausschnitten aus Stücken wie „Alice in Wonderland“ oder das herrlich schräge „Lament of the bald Singer“ in einer Aufnahme mit Alan Gilbert und dem New York Philharmonic, für das sie ‚mit Absicht schlechte Musik‘ geschrieben hat und das das Bild einer armseligen Gauklertruppe heraufbeschwört, ebenfalls erleben. „Das ist am schwersten“, sagt Unsuk Chin lachend, „absichtlich schlechte Musik zu schreiben.“